Stellungnahme zum Doppelhaushalt 2018/2019
Am 28.11.2017 hat Andreas Zimmer für die Unabhängigen Fellbacher die Haushaltsrede zum Doppelhaushalt 2018/2019 und der Finanzplanung bis 2022 gehalten. Die Stadt Fellbach steht im Hinblick auf die vom Ersten Bürgermeister und Finanzdezernenten Günter Geyer vorgelegten Haushaltszahlen vor der großen Herausforderung, viele Millionen auf der Ausgabenseite und in der Investitionsplanung einzusparen.
Der Stand der Haushaltsberatungen im Gemeinderat lässt nach Ansicht der Unabhängigen Fellbacher die Beschlussfassung für diesen Haushalt und die Finanzplanung bis 2022 in der Gemeinderatssitzung am 12. Dezember 2017 nicht zu. Zur seriösen und sicherlich auch politisch schwierigen Diskussion der erforderlichen Sparmaßnahmen muss sich der Gemeinderat mehr Zeit nehmen. In Abwandlung eines kürzlich zu weiter Bekanntheit gelangten Zitats auf der bundespolitischen Jamaika-Bühne kam Andreas Zimmer zu dem Schluss: „Es ist besser (erst einmal) nicht zu beschließen, als falsch zu beschließen“.
Haushaltsrede Unabhängige Fellbacher
Die Rede als PDF-Dokument mit den Papiervorlagen als PDF-Dokument.
Die Rede in Bild und Ton auf der Website der Stadt Fellbach.
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Zull,
Herr Erster Bürgermeister Geyer und Frau Bürgermeisterin Soltys,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
wie Sie es von mir kennen, starte ich gerne mit einem Zitat aus der Haushaltsrede unseres Ersten Bürgermeistern Günter Geyer. Er führte in dieser Rede aus, dass sich „der Trend einer schleichenden und kontinuierlichen Verschlechterung der städtischen Finanzlage fortsetzt, sich je nach Interpretation sogar noch spürbar verstärkt“. Wir werden gleich noch auf die Zahlen blicken, aus deren Interpretation sich tatsächlich nur die spürbare Verstärkung der Verschlechterung unserer Finanzlage ableiten lässt.
Wir hätten – so Herr EBM Geyer – „von der Hand in den Mund gelebt“ und „munter investiert in städtische Angebote und Infrastruktur. … Das, was jeder schwäbische – und nicht nur der schwäbische – Unternehmer und gute Kaufmann macht, nämlich den Ressourcen- und Werteverzehr … über entsprechende Erlöse oder andere Einnahmen zu refinanzieren, wurde über viele Jahre schlicht ignoriert“ (Zitat Ende). Und obwohl dies mit der neu eingeführten doppischen Haushaltsführung geändert wird, ist im vorgelegten Haushalt – ich zitiere erneut „das geplante Ergebnis im Grunde geschönt“. Dieses geplante Ergebnis beinhaltet nämlich im uns vorgelegten Haushalt nach wie vor große Teile der den Ressourcen- und Werteverzehr ausweisenden Abschreibungen nicht.
Und an dieser Stelle, meine Damen und Herren, können wir das „geschönt“ durchaus schon einmal in Zahlen fassen, bitte nehmen Sie dazu die Seite 1 unserer ausgeteilten Unterlagen zur Hand: Nach der geschönten Haushaltsvorlage hätten wir per Saldo bis 2022 ein positives Ergebnis von 14,3 Mio. €, das sich ungeschönt in ein negatives Ergebnis, also einen operativen Verlust von 17,6 Mio. € verwandelt – eine Verschlechterung des mit dem Haushalt vorgelegten geschönten Ergebnisses von sage und schreibe rd. 32 Mio. €, um zu einem realistischen Ergebnis zu kommen.
Ich habe diese Zahlen – und auch die weiteren, die wir im Verlauf meiner Rede noch gemeinsam erleiden müssen – übrigens inhaltlich mit Herrn EBM Geyer und der Leiterin des Kämmereiamtes, Frau Arnold abgestimmt. Zu den die Verschlechterung in der Größenordnung der genannten 30-35 Mio. € verursachenden Abschreibungen kam hierbei der Hinweis, dass man diese aufgrund der v.a. aus personellen Gründen noch nicht vorliegenden Vermögensbewertung eben noch nicht exakt beziffern könne, die Größenordnung aber wohl stimmen werde. Uns Unabhängigen Fellbachern ist es wichtig, dass Sie und die Öffentlichkeit nachvollziehen können, dass es sich hierbei eben nicht um „gebetsmühlenartig wiederholte Panikmache und Verunsicherung der Bevölkerung“ handelt, wie wir mit erkennbar „gelenkter“ Absicht kürzlich in der Fellbacher Zeitung lesen durften, sondern um eine seriöse Beurteilung unserer Finanzlage, die vom Finanzbürgermeister und seiner Kämmerin nicht grundlegend anders eingeschätzt wird.
Jetzt könnte man einwenden, dass Abschreibungen ja nicht liquiditätswirksam und damit für die Finanzlage kein ganz so großes Problem sind. Das würde aber nicht nur dem Handeln des von Herrn EBM Geyer in Bezug genommenen „guten Unternehmers und Kaufmanns“ widersprechen, sondern auch dem gesunden Menschenverstand. Man kann Geld nur einmal ausgeben, dann ist es erstens unwiederbringlich weg und verursacht im kommunalen Haushalt zweitens Folgekosten – unter anderem, aber selbstverständlich nicht nur durch Abschreibungen.
Und damit kommen wir nach unserer strukturell, d.h. nachhaltig defizitären Ergebnislage auch schon zur nächsten „unbequemen Wahrheit“, wie unser Finanzbürgermeister Geyer seine Haushaltsrede überschrieben hat:
Wir stehen nicht nur vor der ganz grundsätzlichen Herausforderung die Ergebnislage zumindest in die Nähe einer „schwarzen Null“ zu bringen – von der Erwirtschaftung von Erträgen zur Finanzierung unserer Investitionen, wie es die haushaltsrechtlichen Vorschriften in erster Linie vorsehen, wage ich gar nicht zu träumen.
Wir haben außerdem auch beim haushalterisch sogenannten „Finanzmittelbedarf“, neudeutsch „Cash Flow“ oder Hausfrauen-schwäbisch – Frau Merkel’s „Schwäbische Hausfrau“ lässt grüßen – also „beim Haushaltsgeld“ ein mehr als tiefes Loch in der Kasse. Auch die Zahlen, die ich Ihnen nachfolgend nenne und die Sie auf Seite 2 unserer ausgeteilten Unterlagen finden, sind keine Zimmer’sche „Panikmache“, sondern mit Herrn EBM Geyer und Frau Arnold abgestimmt und wurden mir hierbei auch als sachlich korrekt bestätigt, womit beide allerdings ausdrücklich keine politische Bewertung vornehmen wollten.
Machen wir es kurz, aber leider nicht schmerzlos: Uns fehlen im Haushalts- und Finanzplanungszeitraum rund 72 Mio. € in der Haushaltskasse. Dies bedeutet, dass unsere Einnahmen um diese Summe hinter den Ausgaben zurückbleiben. Im Einzelnen,gehen wir bereits 2018/2019 vom vollständigen Rücklagenverbrauch in der Größen-ordnung von knapp 30 Mio. € aus. Diese jetzt zum Verbrauch kommende Rücklagen haben wir übrigens nicht aufgrund „unserer ausgewogenen Fellbacher Kommunalpolitik mit Augenmaß“ in der Kasse, wie im zuvor schon in Bezug genommenen Artikel der Fellbacher Zeitung Herr Lenk zitiert wurde, sondern ausschließlich aufgrund außergewöhnlich und weit über unsere bisherigen Haushaltsansätze hinaus sprudelnder Steuer-Mehreinnahmen sowie einem weiteren Sondereffekt in Höhe von ca. 15 Mio. €, der allerdings leider in der Zukunft rückzahlbar ist. Die Verwaltung hat diese Summe daher auch als Rückstellung in die Eröffnungsbilanz unseres neuen doppischen Haushalts eingestellt.
[Hier nicht zum Vortrag, sondern nur zur Dokumentation, Haushaltsplan Vorbericht, S.41 Absatz 5: „… Da rund 15 Mio. € der Gewerbesteuermehreinnahmen auf einen Einmaleffekt zurückzuführen ist, der in den folgenden Jahren zu Gewerbesteuerwenigereinnahmen führen wird, wird für diesen Umstand eine Rückstellung von rd. 15 Mio. € gebildet und in die Eröffnungsbilanz gestellt. …“ ]
Eine solche Rückstellung ist übrigens nichts anderes als eine Verbindlichkeit in der Zukunft. Da wir die uns so unverhofft zugeflossenen, rückzahlbaren 15 Mio. € aber 2018/2019 bereits vollständig wieder zur Finanzierung unseres defizitären Doppelhaushalts ausgeben, erhöht dies verdeckt die tatsächlich ausgewiesene Verschuldung der Stadt um netto weitere ca. 6,2 Mio. € [die Differenz ergibt sich aus der Verrechnung der Finanzumlagen].
Bitte lassen Sie das noch einmal auf sich wirken: An dieser Stelle geben wir tatsächlich [2018/2019] Geld aus, das uns im Grunde gar nicht gehört und für das wir in der Zukunft auch eine Rückzahlungsverpflichtung erwarten, wie sie in der Eröffnungsbilanz deswegen als Rückstellungs-Verbindlichkeit über 15 Mio. € ausgewiesen wird.
Oder erneut kurz und schmerzvoll: Die Rücklage ist weg, die Rückstellung, also unsere Rückzahlungsverpflichtung, bleibt.Da uns die rd. 30 Mio. € Rücklagenverbrauch zur Deckung des Finanzmittelbedarfs aber noch nicht ausreichen, erhöhen wir unsere Verschuldung bis 2022 um weitere
27 Mio. € auf dann rd. 57,4 Mio. €. Die zuvor erläuterten „verdeckten“ Schulden aus der uns dieses Jahr unverhofft zugeflossenen Gewerbesteuer-Sondereinnahme von 15 Mio. € (netto 6,8 Mio. €), sind in diesem Schuldenstand übrigens nicht enthalten.Und weil die verbrauchten Rücklagen und neuen Schulden immer noch nicht ausreichen, veräußern wir auch wieder Tafelsilber in Form von Grundstücken in Höhe weiterer knapp 15 Mio. €.Damit ergibt sich per Saldo die eingangs genannte unschöne Zahl des Defizits aus unserem Finanzmittelbedarf von 72 Mio. €, oder auch 14-15 Mio. € Jahr für Jahr.
Wir sind aber leider immer noch nicht ganz fertig mit den „unbequemen Wahrheiten“ von Herrn EBM Geyer. Zur Komplettierung des Bildes sind noch zwei uns in der Vorlage des Verwaltungs-ausschusses von ihm gegebene Hinweise wichtig und sollten nicht übersehen werden:Der vorgelegte Haushalt beinhaltet Baumaßnahmen, die über den Finanzplanungs-zeitraum hinausreichen und daher dann ab 2023 weitgehend unvermeidbar auf uns zukommen in der Größenordnung von weiteren rd. 16 Mio € [Verwaltungs-Vorlage: „rd. 16,1 Mio. € sind für Baumaßnahmen in 2023 ff. noch zu veranschlagen“]. Völlig neue Vorhaben, wie sie sich im Verlauf des Finanzplanungszeitraums mit Sicherheit auch ergeben werden, sind darin natürlicherweise aber auch noch nicht enthalten. Für das schon häufig diskutierte Maicklerschulzentrum sind durch die vorliegende Planung von erwarteten 80-90 Mio. € Investitionsbedarf „nur rd. 28,4 Mio. € in 2018-2022 veranschlagt“, also gerade einmal bestenfalls ein Drittel.
Aus dem Blickwinkel dieser bis hier erläuterten unbequemen Wahrheiten mögen Sie, meine Damen und Herren, aber auch die Öffentlichkeit und insbesondere unsere Gewerbesteuer-zahler einmal zusammen mit mir in die Zukunft blicken.
Wenn wir so weitermachen, wird die Gewerbesteuer-Erhöhung in Schritten von 10 Hebesatzpunkten, wie Sie im letzten Doppelhaushalt bereits beschlossen wurde und im vorgelegten Doppelhaushalt gleich zweimal von der Verwaltung vorgeschlagen wird, unvermeidbar zur auf lange Zeit jährlichen Übung, man könnte auch sagen „Dauerübung“, werden.
Es gehört keine große Rechenkunst zur Vorhersage, dass wir uns damit bereits zum Ende des aktuellen Finanzplanungszeitraums in Richtung von Realsteuer-Hebesätzen in der Größenordnung 420-430 v.H. bewegen werden und auch damit das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein dürfte. Dies wird alleine schon dadurch begreiflich, dass die Finanzlage, wie ich Sie ausgeführt habe, sich trotz der im letzten Doppelhaushalt bereits durchgeführten und jetzt erneut vorgesehenen Gewerbesteuererhöhung von zusammen dann 30 Hebesatzpunkten derart negativ darstellt und eine Perspektive für ein positives ordentliches Ergebnis unseres städtischen Haushalts weder im jetzt betrachteten Finanzplanungszeitraum bis 2022 noch darüber hinaus auch nur in Ansätzen erkennbar wäre.
Bei unserem Finanzbürgermeister Günter Geyer klingt das dann so, ich zitiere:
„Unsere Einnahmen sind zu niedrig und unsere Ausgaben zu hoch – oder beides zusammen in Kombination!“.
Von „zu niedrigen Einnahmen“ spricht Herr EBM Geyer dabei in einer Zeit, in der wir uns in Deutschland über Rekordsteuereinnahmen freuen und so manche Kommune – auch unweit von Fellbach – nach Presseberichten „im Geld schwimmt“ und daher sogar ernsthaft – man beachte! – Steuersenkungen vorhat.
Herr EBM Geyer hat die außerordentlich positive Einnahmenseite im Verwaltungsausschuss im Rahmen der Haushaltsberatung auch selbst untermauert, in dem er uns vorgerechnet hat, dass im beplanten Zeitraum 2018-2022 jetzt schon sage und schreibe 38 Mio. € netto – also über ein Drittel – mehr Gewerbesteuereinnahmen vorgesehen sind, als im letzten vergleichbaren Fünfjahreszeitraum 2012-2016.
[Selbst ohne die jetzt von der Verwaltung vorgesehene Hebesatzerhöhung von 20 Punkten würden sich im Haushalts-Ansatz immer noch Gewerbesteuer-Mehreinnahmen von rund 31 Mio. € oder 27% ergeben].
[Für die Gemeinderatsmitglieder: Diese Zahlen stammen 1:1 aus Seite 20 der Rathaus-Vorlage für die letzte Verwaltungsausschuss-Sitzung vom 14.11.2017.]
Dann muss es vielleicht doch daran liegen, dass unsere Ausgaben zu hoch sind, und zwar nicht nur ein wenig, dass wir uns bereits viel zu lange den sogenannten „Fellbacher Standard“ geleistet haben, obwohl wir uns diesen im Grunde schon lange nicht mehr leisten können.
Was ist also zu tun?
Wir können es in dieser schwierigen Lage nach unserer Überzeugung der Unabhängigen Fellbacher nicht schaffen, mit „business as usual“ und einigen Haushaltsanträgen – egal von welcher Fraktion oder Gruppierung sie auch kommen mögen – und einer einzigen weiteren Befassung einen Nachmittag lang im Verwaltungsausschuss am nächsten Dienstag, dann gerade einmal eine Woche später am 12. Dezember einen zukunftsfähigen Doppelhaushalt 2018/2019 und eine zukunftsfähige Finanzplanung bis 2022 zu beschließen.
Die Betonung des „Nicht-Schaffens“ liegt auf „zukunftsfähig“ und nicht auf „beschließen“. Tatsächlich sind wir kommunalrechtlich nicht unter allen Umständen gezwungen einen Haushalt zu beschließen, schon gar nicht einen Haushalt, dem unser eigener Finanzbürgermeister attestiert – ich zitiere – uns in eine „zunehmend finanzielle Schieflage“ zu bringen. Es wäre unseres Erachtens im Gegenteil überhaupt nicht zu verantworten, einen solchen Haushalt zu beschließen, solange wir nicht in gründlicher Abwägung und sicherlich schwieriger politischer Diskussion Verbesserungspotentiale in zweistelliger Millionenhöhe identifiziert haben und diese im Haushalt Berücksichtigung finden können.
Das geht doch nicht, jetzt keinen Haushalt zu beschließen, werden Sie uns vielleicht entgegen-halten. Doch, die Gemeindeordnung sieht in §83 eine sogenannte „Vorläufige Haushaltsführung“ ausdrücklich vor, „wenn die Haushaltssatzung bei Beginn des Haushaltsjahres noch nicht erlassen ist“. Im Kommunal-Wiki der „grünen“ Heinrich Böll Stiftung – also politisch auf mich bezogen „unverdächtig“ zitierfähig – wird als erster Grund für einen zu Jahresbeginn noch nicht in Kraft getretenen kommunalen Haushalt genannt: „Verwaltung und Politik konnten sich zu zentralen Fragen des Haushalts nicht rechtzeitig einigen“. Gerade eine solche Einigung und die für die Zukunftsfähigkeit des nächsten Haushalts und der Finanzplanung bis 2022 dringend notwendigen Sparmaßnahmen können politisch und haushalterisch seriös wohl kaum in den vor uns liegenden zwei Wochen „durchgepaukt“ werden. Natürlich können wir einen Haushalt „durchpauken“, die Betonung liegt hier aber auf „wohl kaum politisch und haushalterisch seriös“.
Was übrigens ebenfalls gegen die jetzige Verabschiedung dieses Haushalts und der Finanzplanung spricht, ist die fehlende Sicherheit zu den Abschreibungen, eine Summe in Höhe von immerhin 30-35 Mio. €, die wir aktuell nur schätzen, aber nicht wissen können.
Wir sollten uns stattdessen Zielmarken setzen, an denen wir den kommenden Doppelhaushalt und die Finanzplanung bis 2022 wenigstens wieder einigermaßen zukunftsfähig ausrichten können und zu diesen Zielmarken haben wir uns auch schon einige Gedanken gemacht:Auf Seite 3 der Ihnen ausgeteilten Unterlagen finden Sie eine strukturelle Aufschlüsselung des sogenannten „Ordentlichen Aufwandes“ zum Zwecke der Differenzierung der durch unsere Beschlüsse überhaupt realistischerweise beeinflussbaren Kosten und Aufwendungen.Auf Seite 4 haben wir bezogen auf die Werte der Seite 3 von uns für sinnvoll erachtete Zielgrößen zur Aufwands-/Ausgaben-Reduzierung definiert, die uns zumindest perspektivisch in Richtung eines ausgeglichenen Ergebnishaushaltes bringen würden. Über die kommenden fünf Jahre müssen wir hierzu auf der Ausgabenseite ca. 17 Mio. € einsparen. Das wird nicht ohne Schmerzen gehen und Sie werden schnell erkennen, dass hierfür auch der größte beinflussbare Kostenblock, die Personalkosten, nicht unangetastet bleiben kann.
Wie auch in der Vergangenheit darf ich vorwegschicken, dass die Leistungsfähigkeit, die Einsatzbereitschaft und das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung in keiner Weise in Frage stehen. Im Gegenteil, möchten auch Herr Sibert und ich uns an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Mitarbeitern für ihren Einsatz und die im zu Ende gehenden Jahr erbrachte Leistung bedanken. Hierbei gilt im aktuellen Kontext unser Dank in besonderem Maße Herrn EBM Geyer, Frau Arnold und allen bei der Aufstellung des Haushalts Beteiligten.
Erforderliche Einsparungen bei den Personalkosten sind aber auch weiterhin ohne Stellenreduzierung nicht darstellbar. Die von uns ins Auge gefasste Zielmarke zur Einsparung bei den Personalkosten kann sozialverträglich in 2018 und 2019 mittels interner Umbesetzungen durch Fluktuation oder Ruhestand freiwerdender Stellen erzielt werden. Hierzu dürfen in 2018 und 2019 jeweils ca. 15 freiwerdende Stellen nicht durch Neueinstellungen von außen besetzt, sondern müssen durch Aufgaben-reduzierung, Effizienzsteigerung und hierfür erforderliche Umorganisation intern ersetzt werden. Zur Zielerreichung muss der Stellenplan per Saldo bis Ende 2019 um diese Stellenanzahl reduziert werden.Bliebe noch das erläuterte Defizit des Finanzmittelbedarfs in der Größenordnung von rd. 72 Mio. €. Auf den Verbrauch der 30 Mio. € Rücklage und den Verkauf von Tafelsilber in Höhe der saldiert rd. 15 Mio. € Erlöse aus Grundstücksverkäufen werden wir wohl nicht verzichten können.
Die nicht zuletzt durch die geforderte Personalkosteneinsparung erforderliche Aufgabenreduzierung, insbesondere aber auch unsere Ertragssituation aufgrund künftig auf Investitionen zu erwirtschaftende Abschreibungen, rücken die Abwicklung des nur für Baumaßnahmen mit sage und schreibe 90 Mio. € veranschlagten Investitions-programmes weit außerhalb unserer Möglichkeiten. Weitere 9 Mio. € wurden darüber hinaus für Investitionen in das sogenannte bewegliche Sachvermögen, also die Geschäftsausstattung veranschlagt.
Mit realistischen Blick auf das investiv Umsetzbare, das auch finanziell wenigstens noch halbwegs verantwortbar ist, stellen wir uns hier eine Zielmarke zur Reduzierung des Investitionsprogrammes in Größenordnung der ansonsten notwendig werdenden Netto-Neuverschuldung vor, also eine Reduzierung um rd. 27 Mio. € auf dann immerhin noch 72 Mio. €. Auch dieses verbleibende Investitionsvolumen will erst einmal bewältigt sein und die Abschreibungen hierauf wollen erst einmal verdient werden.
Wie bei der Ausgabenreduzierung des Ergebnishaushaltes wird es bei diesem Volumen auch hier wohl kaum möglich sein, die Priorisierung der Investitionen in den kommenden zwei Wochen durch den Verwaltungsausschuss und den Gemeinderat zu pauken.
Wir sollten uns für den Beschluss der Haushaltssatzung daher die erforderliche Zeit geben, die für eine angemessene Priorisierung und Reduzierung der Ausgaben des Ergebnishaushalts und dieses umfangreichen Investitionsprogrammes erforderlich ist. In Abwandlung eines kürzlich zu weiter Bekanntheit gelangten Zitats auf der bundespolitischen Jamaika-Bühne darf ich ergänzen: „Es ist besser (erst einmal) nicht zu beschließen, als falsch zu beschließen“.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen.
Die Dimension der vor uns liegenden Herausforderungen sollte uns allen klarmachen, dass wir tatsächlich das „Ruder herumreißen“ müssen, um die „zunehmende finanzielle Schieflage“ – Sie kennen das Zitat jetzt schon – umzukehren, damit das in Schieflage befindliche „Haushaltsschiff Fellbach“ nicht zu kentern droht. Und wenn wir schon bei maritimen Vergleichen sind, möchte ich am Ende meiner Rede doch auch noch etwas zur Aufheiterung beitragen.
Unter der Überschrift „Untergang der Titanic – Es war nicht der Eisberg, sondern Alarmismus“ erschien im Oktober 2015 in der Satire-Kolumne SPAM des SPIEGEL ein sehr gut passender Beitrag, nachfolgend von mir frei interpretiert und gekürzt:
„Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sank die "Titanic" nicht infolge ihres unverhofften Zusammentreffens mit einem anderen Schwimmkörper, sondern aufgrund der Panikmache des Kapitäns. Statt etwas wie 'Wir schaffen das!' zu rufen und das Orchester noch lauter spielen zu lassen, ließ Kapitän Smith Notrufe absetzen und ordnete die Evakuierung an. Durch diesen Alarmismus gewannen Nörgler, Kleingeister, Miesmacher, Schwarzmaler und Pessimisten an Bord die Oberhand.
Dabei hätten sich vom Tisch rutschende Gläser und die nassen Füße der Passagiere mit etwas gutem Willen auch beruhigend erklären lassen, etwa durch Gravitationsdissonanzen oder eine defekte Toilettenspülung."
Meine Damen und Herren, noch rutschen bei uns die Gläser nicht vom Tisch und noch bekommen wir keine nassen Füße. Aber der Eisberg ist bereits in Sicht und zur Vermeidung des Zusammenstoßes müssen wir das Ruder jetzt entschlossen herumreißen. Lassen Sie uns dies in Angriff nehmen, und nehmen wir uns auch gemeinsam die hierfür erforderliche Zeit!
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.