Im Gemeinderat fehlt die "Schwäbische Hausfrau"
P R E S S E M I T T E I L U N G
zu den Gemeinderats-Beschlüssen in der Sitzung am 19.07.2016
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Im Gemeinderat in Fellbach fehlt die „Schwäbische Hausfrau“
Wie sagte noch Bundeskanzlerin Angela Merkel 2008 in Stuttgart, als es um die Schulden der öffentlichen Haushalte ging: „Man hätte einfach nur die schwäbische Hausfrau fragen sollen. Sie hätte uns eine Lebensweisheit gesagt: Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben.“
In der letzten Sitzung vor der Sommerpause hat der Gemeinderat mit breiter Mehrheit gleich mehrere Projekte beschlossen, bei denen diese Lebensweisheit erneut keinerlei Berücksichtigung gefunden hat. Andreas Zimmer kommentiert diese Beschlüsse wie folgt: „Bei den Fraktionen des Fellbacher Gemeinderats ist die Weisheit, dass man nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben kann, mehrheitlich noch nicht angekommen – leider noch nicht einmal bei denen, die sich wirtschaftliche Kompetenz auf ihre Fahnen schreiben.“
Im Einzelnen nimmt Zimmer wie folgt Stellung zu den Beschlüssen:
1. Zu Tagesordnung Punkt 5. Neubau Stadtteil- und Familienzentrum am Ernst-Wiechert-Platz
Die CDU- und die FW/FD-Fraktionen üben sich bei diesem Projekt im „doppelten Salto rückwärts“. Bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2016/2017 war die auf Antrag dieser Fraktionen beschlossene Deckelung auf den ursprünglich angedachten Betrag von 5,7 Mio. EUR eine der wenigen relevanten Kürzungen des von der Verwaltung vorgelegten Haushaltsansatzes. Zumindest bei diesem Projekt hatten CDU und FW/FD der auch von Ihnen erkannten Notwendigkeit für Ausgabenkürzungen im Haushalt Rechnung getragen und einen in seiner Größenordnung auch relevanten Sparbeschluss herbeigeführt.
Jetzt feiern CDU und FW/FD den zwischenzeitlich verhandelten Zuschuss der evangelischen Kirche in Höhe von 100.000 EUR als Durchbruch für ihre nun doch gegebene Zustimmung zum Beschluss der 6,5 Mio. EUR. Dabei ist heute schon klar und von der Verwaltung auch deutlich gemacht, dass – entgegen sonst üblicher Planung – der in der Beschlussvorlage genannte Betrag von 6,5 Mio. EUR keinerlei unvorhergesehene Mehraufwendungen und auch nicht die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Baukostensteigerungen enthält. Der Kalkulation von 6,5 Mio. EUR müssen mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens 400.000 EUR für diese Punkte hinzugefügt werden. Obwohl die Verwaltung dieses Risiko klar sieht und darauf sogar in der Beschlussvorlage ausdrücklich eingeht, wurde dies nicht in Form einer realistischen – um diese zu erwartenden Kostensteigerungen erhöhten – Antragssumme berücksichtigt.
Die Differenz zwischen dem von CDU und FW/FD in der Haushalts-sitzung stolz gefassten Deckelungsbeschluss auf 5,7 Mio. EUR zu der realistischer weise am Ende zu erwartenden Gesamtsumme, wird auch nach Abzug des Zuschusses der evangelischen Kirchengemeinde am Ende wohl auf jeden Fall deutlich über 1 Mio. EUR betragen. Sie wird damit wohl noch höher ausfallen, als die ursprünglich angestrebte Einsparung. Daher mein herzlicher Glückwunsch an die Fraktionen der CDU und der FW/FD zu diesem „doppelten Salto rückwärts“.
2. Hintergrund zur Haushaltssituation – auch im Kontext der Beschlussvorlage Nr. 059/2016/1 – Maicklerschulzentrum (Tagesordnung Punkt 4.)
Eine gewisse Lockerheit im Hinblick auf über-/außerplanmäßige Ausgaben des Haushalts ist bei allen Fraktionen auch aufgrund der positiven Entwicklung im Rahmen des Finanzzwischenberichts 2016 festzustellen, wie er ebenfalls in der Gemeinderatssitzung vorgelegt wurde. Verschwiegen wird hierbei aber, dass es neben dem Familienzentrum bereits eine von Herrn EBM Geyer in der letzten Gemeinderatssitzung in Bezug genommene Liste mit Vorhaben in zweistelliger Millionenhöhe gibt, die zu einem guten Teil wohl unvermeidlich notwendig werden, aber ebenfalls nicht im Doppelhaushalt 2016/2017 bzw. der Finanzplanung bis 2019 enthalten sind.
Dazu kommt die in dieser Gemeinderatssitzung ebenfalls beschlossene Planung für den „ersten Baustein des Gesamtprojekts Maickler-Schulzentrum“ in einer zu erwartenden Größenordnung von ca. 9-10 Mio. EUR (mittlere Kostenprognose zzgl. Baukostensteigerung), der im Doppelhaushalt 2016/2017 und der Finanzplanung bis 2019 gerade einmal 4,2 Mio. EUR Haushaltsmittel gegenüberstehen. Alleine für dieses unzweifelhaft notwendige Projekt ergibt sich eine weitere Unterdeckung der Haushaltsplanung in der Größenordnung von 5 Mio. EUR.
Dabei sind dringende bauliche Maßnahmen zur Ablösung eines Brandschutz-Provisoriums am Hochhaus des Friedrich-Schiller-Gymnasiums in den 9-10 Mio. EUR des „ersten Bausteins“ noch nicht einmal berücksichtigt. Dies stellt ein weiteres noch nicht bezifferbares Haushaltsrisiko relevanter Größenordnung dar, da man das Brandschutz-Provisorium nach Angaben der Verwaltung schnellstmöglich durch eine nachhaltige Lösung ersetzen muss.
3. Zu Tagesordnung Punkt 6. Bundesstützpunkt Rhythmische Sportgymnastik
Die Investition von 1 Mio. EUR mit jährlichen Folgekosten von über 100.000 EUR – wie von der Verwaltung ermittelt und der Beschlussvorlage als Anlage 3 beigefügt – kommt den Fellbacher Bürgern in keine Weise zugute, sondern dient ausschließlich der Förderung des Spitzensports, und dies dann auch noch in einer Randsportart mit in der Vergangenheit mehr als fragwürdigen Trainingsmethoden.
Im Hinblick auf die Haushaltssituation und die klare Orientierung unseres Rechnungsprüfungsamtes zur Schuldensituation der Stadt Fellbach ist auch diese Beschlussfassung zum Bundesstützpunkt der Rhythmischen Sportgymnastik (Vorlage Nr. 064/2016) nicht zu verantworten.
Fazit
Der Doppelhaushalt 2016/2017 und die Finanzplanung bis 2019 weisen ein strukturelles Defizit in der Größenordnung von ca. 42,3 Mio. EUR aus (vgl. http://www.andreas-zimmer.net/fellbach/haushalt-finanzplanung-2016-2019/). Trotz überaus positiver Entwicklung der Steuereinnahmen und einem dementsprechend auch im Millionenbereich positiven Finanzzwischenbericht im Haushaltsjahr 2016 zum 30.06.2016, ist dieses strukturelle Defizit bei Berücksichtigung heute bereits bekannter Haushaltsrisiken weiter gewachsen.
Die für unsere Stadt wirklich wichtigen und unverzichtbaren Projekte konkurrieren heute bereits um die begrenzten Haushaltsmittel, obwohl mit der Umsetzung der uns vom Rechnungsprüfungsamt der Stadt Fellbach ins Pflichtenheft geschriebenen Aufgaben noch nicht einmal ansatzweise begonnen wurde.
Hierzu folgendes Zitat aus dem letzten Schlussbericht des Rechnungsprüfungsamtes: „Daher muss das RPA zum wiederholten Mal vor dem Risiko einer Überforderung der Fellbacher Haushaltswirtschaft warnen. Die kommenden Jahre sollten in erster Linie dazu genutzt werden, sich Finanzierungsspielräume zu schaffen und diese soweit noch möglich zum Schuldenabbau zu verwenden.“
Zimmer kommentiert abschließend: „Mit den in der Sitzung vom 19.07.2016 gefassten Beschlüssen wurde der Gemeinderat der im letzten Schlussbericht des Rechnungsprüfungsamts unmissverständlichen Aufforderung zur Schaffung von Finanzierungsspielräumen zum Schuldenabbau erneut in keiner Weise gerecht“.