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Offener Brief an OB Palm zur Flüchtlingsunterbring

Den nachfolgenden Offenen Brief an Herrn Oberbürgermeister Palm finden Sie hier auch als PDF-Dokument.

An die
Stadt Fellbach
Herrn Oberbürgermeister Palm
Marktplatz 1
70736 Fellbach

Fellbach, 8. Oktober 2015

Offener Brief an Herrn Oberbürgermeister Palm
Flüchtlingsunterbringung in Fellbach
in Kopie an die Mitglieder des Gemeinderats

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Palm,

nach den gestern vom Integrationsministerium Baden-Württemberg bekanntgegeben Zahlen, verdoppelt sich die Anzahl der Zuweisungen aus den Landeserstaufnahme-Einrichtungen an die Stadt- und Landkreise auf nunmehr 4.000 Flüchtlinge pro Woche, also stark 17.000 im Monat. Nach dem bislang zur Anwendung gebrachten Schlüssel bedeutet dies für den Rems-Murr-Kreis jeden Monat die Neuaufnahme von ca. 750 und für Fellbach von ca. 80 Flüchtlingen.

Die soeben als Notunterkunft für ca. 70 Flüchtlinge von der Stadt Fellbach zur Verfügung gestellte Festhalle Schmiden deckt damit höchstens den Bedarf gerade einmal eines Monats. Mit der Veröffentlichung des Integrationsministeriums zur Verdoppelung der Zuweisungen dürfte sich wohl auch der vorübergehende Charakter dieser Notunterbringung für die bislang geplanten 4-5 Wochen erledigt haben. Es ist zu befürchten, dass die Halle wohl zumindest über die Wintermonate belegt bleiben muss und in Anbetracht der Entwicklung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch darüber hinaus.

Die neue Situation erfordert m.E. dringlich eine Neubewertung unserer bisherigen Prämissen für die Flüchtlingsunterbringung der Stadt Fellbach. Hierbei sollten wir in Anbetracht der krisenhaften Zuspitzung auch bislang aus guten Gründen hochgehaltene Grundsätze überprüfen, insbesondere die der rein dezentralen Unterbringung und der Vermeidung von Unterbringungen in Zelten. Diskutiert werden sollte m.E. die Bereitstellung von Grundstücken der Stadt Fellbach oder in Kooperation mit privaten Grundstückseigentümern, auf denen der Landkreis – begrenzt auf den Rahmen der durch Fellbach nach seiner Einwohnerzahl sowieso anteilig zu tragenden Lasten – größere zentrale Unterbringungseinheiten schaffen kann, für die auch winterfeste Zelte kein Tabu sein dürfen. Es ist ansonsten absehbar, dass wir nach dem jetzigen Beispiel der Schmidener Festhalle eine öffentliche Halle nach der andern für die Flüchtlingsunterbringung bereitstellen müssen.

In meiner Funktion als Stadtrat werde ich immer wieder von Bürgern angesprochen, die sich in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen große Sorgen machen. Ich bin mir sicher, dass das wohl allen Stadträten und auch Ihnen selbst ganz ähnlich ergeht. Nach meiner Wahrnehmung klafft eine große Lücke zwischen dem tatsächlichen Meinungsbild unserer Mitbürger und dem, was auch in unserer Stadt an sogenannter „Willkommenskultur“ gepredigt wird.

Um hier jedem Missverständnis vorzubeugen: Natürlich müssen wir die dem Landkreis und in der Folge Fellbach zugewiesenen Flüchtlinge angemessen unterbringen und versorgen – das ist sowohl unsere humanitäre als auch die den Kommunen rechtlich auferlegte Pflicht, an der kein Zweifel besteht. Gleichzeitig haben wir als Vertreter der Bürger aber auch die Pflicht, deren Sorgen ernst zu nehmen und entsprechende politische Signale zu vermitteln. Dem werden wir m.E. nicht gerecht, wenn wir uns mit Verweis auf unsere Zuständigkeit und die beschränkten Möglichkeiten der Einflussnahme im wahrsten Sinne des Wortes auf das Verwalten der Krise beschränken.

Die wesentliche – zumindest mir – von vielen Mitbürgern quer durch die politischen Überzeugungen vorgetragene Forderung an die politisch Verantwortlichen lautet, für eine Begrenzung des Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland zu sorgen. Ich teile diese Forderung mit großem Nachdruck und widerspreche all denen, die dies für faktisch unmöglich erklären und damit ihr Nichthandeln entschuldigen. In diesem Sinne sollte m.E. der Gemeinderat ausnahmsweise auch einmal zum „großen Bild“ der Flüchtlingskrise Stellung beziehen und damit ein politisches Signal an unsere Mitbürger, insbesondere aber auch an die verantwortlichen Politiker senden, wie er zur unbegrenzten Aufnahme von Flüchtlingen steht, mit deren Konsequenzen wir alle uns ja nun faktisch tagtäglich auseinandersetzen müssen.

Ich komme nun abschließend wieder auf die konkrete Herausforderung der Flüchtlingsunterbringung in Fellbach zurück. In den bereits erwähnten Meinungen und Aufforderungen aus der Bürgerschaft, die an mich herangetragen wurden, kam auch schon der mehr oder weniger deutliche Vorwurf zur Sprache, der Gemeinderat würde sich nicht ausreichend und vor allen Dingen nicht kritisch genug mit der uns doch so unmittelbar betreffenden Problemlage befassen. Insbesondere die Unterbringung von Flüchtlingen in öffentlichen Hallen stößt dabei weitgehend auf Unverständnis.

Die akuten Herausforderungen der Flüchtlingsunterbringung in Anbetracht der jetzt gerade auch noch veröffentlichten Verlautbarung des Integrationsministeriums Baden-Württemberg zur nochmaligen Verdoppelung der den Kommunen zugewiesenen Flüchtlinge, lassen m.E. eine kurzfristige außerordentliche Sitzung des Gemeinderats angeraten erscheinen, in der uns die Verwaltung über die neuesten Entwicklungen und ihre Überlegungen hierzu informiert. Wir müssen uns auch als Gemeinderatsgremium diesen Herausforderungen stellen und ohne Dogmen nach Lösungsmöglichkeiten suchen, die unsere Mitbürger auch mehrheitlich mittragen können.

In diesem Sinne geht meine Bitte an Sie, Herr Oberbürgermeister Palm, eine solche außerordentliche Sitzung des Gemeinderats einzuberufen.

Beste Grüße

Andreas Zimmer
(im Original handschriftlich unterzeichnet)

De zwischenzeitlich erfolgte Berichterstattung zu diesem Offenen Brief, die ablehnende Antwort von Herrn OB Palm und die weitere Entwicklung finden Sie hier.